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pepper
Nahaufnahme einer spiegelnden Metalloberfläche mit einer spitzen Kante, die darauf zeigt. Die Oberfläche hat ein strukturiertes, schuppenartiges Muster.
Blog
Februar 2025 | Lesezeit: 4 min.

Barrierefreiheit mit künstlicher Intelligenz?

Ich habe mit meinem Projekt »barrierefreies.design« einen Relaunch vollzogen. Neu an Bord: Werkzeuge, die mit künstlicher Intelligenz bei digitaler Barrierefreiheit helfen sollen. Worauf es ankommt, was möglich ist und was nicht.

Vorweg …

Seit bald vier Jahren betreibe ich die Website barrierefreies.design: Mein Ziel war es von Anfang an, digitale Barrierefreiheit nahbar zu machen – informativ, spielerisch, unverbindlich. Zu dem Angebot von barrierefreies.design gehören neben einem Blog und Glossar vor allem Werkzeuge. Zum Beispiel ein Prüftool für Farbkontraste oder ein Simulator von Farbenfehlsichtigkeiten, die sich beide großer Beliebtheit erfreuen.

So hatte die Website im letzten Jahr insgesamt ein Besucherwachstum über 50 Prozent. Das liegt sicher auch allgemein an der steigenden Relevanz, auch durch das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG), aber auch persönlich erhielt ich viel Resonanz über das Angebot. Trotzdem hatte die Website nicht immer die oberste Priorität bei mir: Die Recherche, die Aufbereitung und Visualisierung, die Entwicklung verschlingt auch einfach ziemlich viel Zeit für ein praktisch kostenloses Angebot. Aber bevor sich dicker Staub ansetzte, habe ich mich trotzdem entschieden, die Website grundliegend zu erneuern. Es ist mehr als ein Facelift: Die Inhalte mussten redigiert, teilweise überholt und ergänzt werden, aber auch die besagten Werkzeuge habe ich erweitert. Hinzugekommen sind auch Werkzeuge mit künstlicher Intelligenz (KI).

Hilft bei KI bei der Barrierefreiheit?

Bevor übergroße Erwartungen entstehen: Barrierefreiheit muss interdisziplinär und von Anfang an einbezogen werden. Die Illusion, man könnte Barrierefreiheit mit zwei Klicks nachträglich ergänzen, muss man seriöserweise nehmen. Regelmäßig befeuert wird diese Erwartung auch durch Software-Lösungen, die diese Einfachheit quasi versprechen. Ein Beispiel sind Overlay-Tools, die als zusätzliche Ebene über bestehende Websites gelegt werden, um deren Zugänglichkeit zu verbessern. Aber viele Barrieren können mit einem Overlay-Tool nur oberflächlich behandelt werden. Die Überwachungsstelle des Bundes für Barrierefreiheit von Informationstechnik betrachtet den Einsatz von Overlay-Tools deshalb mit Sorge.

Und: Auch KI wird daran so schnell nichts ändern. Das liegt daran, dass es schwierig ist, die Zielgruppe, die Situation, den Gesamtkontext (also nicht nur Fragmente einer Website) und auch die Qualität maschinell zu erfassen. Das zugrunde liegende KI-Modell kann bei der Interpretation von Inhalten Fehler machen. Dies führt möglicherweise dazu, dass fachliche Details ungenau wiedergegeben oder ausgelassen werden. Subtile, aber in der Gesamtheit vielleicht wesentliche Bedeutungsunterschiede werden nicht immer präzise erkannt.

Aber: KI kann Zugang in das Thema Barrierefreiheit selbst erleichtern und auch langfristig bei routinierten Aufgaben sehr viel Zeit sparen.

Automatische alternative Texte für Bilder

Eines der neuen Werkzeuge ist ein KI-Generator von alternativen Texten für Bilder. Barrierefreie Medien wie Webseiten oder PDFs benötigen für ihre Barrierefreiheit sogenannte alternative Texte bei der Anwendung von Bildern und Grafiken. Diese Beschreibungen ermöglichen es Menschen mit Seheinschränkungen, mithilfe unterstützender Technologien den Inhalt von Bildern und Grafiken zu erfassen. Nützlich sind sie aber auch, wenn das entsprechende Medium nicht geladen werden kann (beispielsweise bei einer situativ schlechten Internetverbindung wie in der Bahn): Dann wird der alternative Text stattdessen angezeigt.

Doch die alternativen Texte zu formulieren, ist eine Fleißarbeit, die sich je nach Projekt auch schnell summieren kann. Dieses Werkzeug erlaubt den Upload einer Bilddatei und schlägt automatisch einen alternativen Text vor, der dabei den grundliegenden Empfehlungen folgt.

Möglich macht das ein multimodales KI-Modell von OpenAI im Hintergrund. Es verarbeitet Bilder zunächst durch Convolutional Neural Networks (CNNs), die visuelle Merkmale wie Kanten, Texturen und Objekte extrahieren. Diese visuellen Informationen werden dann in einen semantischen Vektorraum überführt, der mit dem Sprachverständnis des Modells verknüpft ist. Durch Cross-Attention Mechanismen kann das Modell schließlich gezielte Verbindungen zwischen Bildregionen und sprachlichen Beschreibungen herstellen, was ein tiefgreifendes Verständnis des Bildinhalts ermöglicht. Das passiert in wenigen Sekunden, sodass ein alternativer Text ruckzuck generiert ist.

Aber: KI-Modelle erfassen zwar die sichtbaren Elemente eines Bildes, können aber nicht eigenständig erkennen, welche davon im jeweiligen Verwendungskontext bedeutsam sind. Nehmen wir als Beispiel ein Foto einer jungen Frau, die am Laptop arbeitet: Eine KI würde typischerweise beschreiben »Eine junge Frau in blauer Bluse sitzt an einem Schreibtisch und tippt auf einem Laptop«. Doch je nach Kontext sind unterschiedliche Aspekte wichtig – auf einer Website für ergonomische Arbeitsplatzgestaltung wäre ihre ungünstige Sitzhaltung der zentrale Punkt. Für einen Artikel über moderne Arbeitskultur stünde das mobile Arbeiten im Homeoffice im Fokus. Und bei einem Beitrag über barrierefreie Technologie wäre relevant, dass die Frau eine spezielle Bildschirmlupe nutzt. Die KI erkennt nur die objektiv sichtbaren Bildinhalte – welche Elemente aber tatsächlich beschreibenswert sind, hängt vom spezifischen Nutzungskontext ab.

Ohne manuelle Prüfung (oder Anpassung) geht es also nicht. Trotzdem erfreut sich das KI-Werkzeug schon großer Beliebtheit.

Leichte Sprache

Auf technischer Ebene nach einem ähnlichen Prinzip arbeitet der KI-Übersetzer in Leichte Sprache. Der Prompt, also der Befehl an das KI-Modell dahinter, orientiert an der DIN SPEC 33429. Eine DIN SPEC ist ein möglicher Vorläufer einer Norm, damit ein möglicher Industriestandard.

Das Werkzeug soll dabei keine Übersetzer*innen ersetzen, sondern kleinen Vereinen und Unternehmen eine Möglichkeit bieten, Inhalte in Leichter Sprache anzubieten. Auch hier ist eine manuelle, redaktionelle Überprüfung und gegebenenfalls Zuarbeit ohnehin unerlässlich. Nur Menschen können sicherstellen, dass die Inhalte von den jeweiligen Zielgruppen verstanden werden.

Weiterentwicklung

Zum einen entwickeln sich die KI-Modelle immer weiter, sodass es sich ergeben kann, mit der Zeit auf andere Modelle umzusteigen, die schneller, zuverlässiger und präziser arbeiten. Ich muss dabei nur die Schnittstelle anpassen, das ist schnell getan.

Zum anderen kann ich die Prompts weiterentwickeln, um die Qualität der Ergebnisse zu verbessern. Dabei ist wichtig, dass die Zuverlässigkeit nicht beeinträchtigt wird, aber auch dass Ressourcen sinnvoll eingesetzt werden. Das ist schon aus monetären Gründen sinnvoll, vor allem aber auch ein Mittel, die KI so nachhaltig wie möglich anzuwenden.

Ich bin dazu gespannt auf Ihr Feedback. Werden Sie die Tools nutzen? Wenn ja, was kann man verbessern? Wenn nein, warum eigentlich nicht?

Porträt von Marvin Siefke

Marvin Siefke

Über den Autor

Geboren in Berlin, etwas ländlicher in Falkensee (Brandenburg) aufgewachsen und von klein auf begeisterungsfähig für Farben und Formen. Nach dem Abitur musste ich nicht lange grübeln, welche Richtung ich einschlagen möchte. Die Ausbildung zum »Mediengestalter in Digital und Print« habe ich mit einer Auszeichnung als Landesbester in Berlin bestanden, viel Arbeitserfahrung im Agenturleben gesammelt und mich 2021 als Grafik- und Webdesigner mit dem Büro pepper selbstständig gemacht.

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